Am Ende eines vier Jahre andauernden »Bürgerdialogs« zur Straßensanierung in der Sommerfeldsiedlung steht vor allem eines: Verwunderung. Was bisher geschah – eine Chronologie.
von Sandra Oppmann
Im Februar 2017 startete die Verwaltung einen „Bürgerdialog zur Verbesserung der Verkehrssituation in der Sommerfeld-Siedlung“, der den Anwohner*innen eine Beteiligung am weiteren Planungsprozess suggerierte.
In den folgenden 4 Bürgerwerkstätten wurde dieses Angebot auch reichlich genutzt – die jeweiligen Termine waren stets sehr gut besucht. Leider stellte sich aber schnell heraus, dass es mit der Bürgerbeteiligung von Seiten der Verwaltung nicht weit her war.
Um das zu bieten, was man sich eigentlich von einem „Bürgerdialog“ erhofft hatte – ein Forum für den gegenseitigen Austausch – gründete sich eine Bürgerinitiative (BI) und mit ihr diese Website.
Vor allem galt es herauszufinden, was die Leute vor Ort wirklich wollen – anstatt durch eine tendenziöse Moderation einzelne Meinungsäußerungen gegeneinander auszuspielen. Die Forderung an den Bürgermeister, eine repräsentative Umfrage durchzuführen, wurde leider abgelehnt, weshalb die BI das Thema kurzerhand selbst in die Hand nahm – mit einer Beteiligungsquote von 45% (siehe 3. Akt, die Umfrage) und eindeutigen Ergebnissen.
3 Jahre und zahlreiche Presseberichte später wurde vom Gemeinderat einstimmig ein Grundsatzbeschluss gefasst.
Für geschätzte Honorarkosten von 160.000 EUR sollte ein „entsprechend qualifiziertes Ingenieurbüro“ eine Entwurfsplanung erarbeiten sowie eine Musterfläche für den Gehweg- sowie Parkbereich zum anschaulichen Vergleich errichtet werden. Dazu ein Auszug:
„Für den weiteren Straßenausbau im Gebiet der Sommerfeldsiedlung stünde dann eine Entscheidung, die bei den Anwohnern, geht es doch um ihre Straßen, auf breite Akzeptanz stoßen würde und so dem intensiven Prozess der Bürgerbeteiligung Rechnung trüge.“
(Den vollständigen Beitrag finden Sie hier.)
Dann kippte 2019 die Straßenbeitragssatzung zur finanziellen Anwohnerbeteiligung. Damit einher ging offenbar die Annahme, die Bürger*innen würden sich im weiteren Prozess nicht mehr weiter einbringen.
Und denkbar knapp – nämlich erst eine Woche vor Beginn der finalen Beratungsrunde in den Fachausschüssen – wurde im August 2020 die Musterfläche im Brodberg fertiggestellt, allerdings ausschließlich in der von der Verwaltung favorisierten Variante (mit in Teilen gepflasterten Gehsteigen).
Vor allem aber brachten (und bringen) sich die Bürger*innen vor Ort auch nach dem Ende der Beitragssatzung nach wie vor aktiv mit ein, weil sie / weil wir das Thema Bürgerbeteiligung ernst nehmen.
Und staunen.
Vor allem darüber, dass die Verwaltung für die Erneuerung der Fahrbahnen Asphalt favorisiert – obwohl dies dem stets geforderten Erhalt des Siedlungscharakters mit der bisherigen Ausführung in Beton eklatant widerspricht und trotz aktueller Studien zur Schadstoffbelastung durch Asphalt.
Oder darüber, wie sich Teile der gemeindlichen Entscheidungsträger*innen darüber hinwegsetzen, alarmierende Messungen ernst zu nehmen, die Asphalt eine ungleich stärkere Aufheizung gegenüber Beton nachweisen, was Messungen im betroffenen Siedlungsgebiet bestätigen und angesichts der aktuellen Klimadebatte so ganz und gar nicht zu einer ökologisch weitsichtigen Handlungsweise passt.
Oder über das Plädoyer des beauftragten Planungsbüros pro Asphalt, das der in der Sommerfeldsiedlung wohnende Bauingenieur Jürgen Krause in einer der Gemeinde vorliegenden Stellungnahme wie folgt kommentiert: „Die Prüfung der zugrundeliegenden Annahmen hat ergeben, dass diese zumindest in Teilen falsch, ohne fachlichen und sachlichen Nachweis oder ohne Begründung formuliert wurden.“
Er stellt weiterhin fest: „Eine gleichwertige Betrachtung der Bauweisen [Asphalt und Beton] erfolgte offenkundig nicht. Das Ergebnis ist insofern aus fachlicher Sicht als eine tendenziöse Kalkulation einzuschätzen.“
Wenn dem so ist, laufen die jetzigen Gemeindevertreter*innen Gefahr, auf Basis einer Entwurfsplanung zu entscheiden, das einer einseitigen Beeinflussung Vorschub leistet.
Alles keine Kleinigkeiten bei einem Gebiet mit über 800 Haushalten und hoher Kinderdichte sowie einer baulichen Laufzeit von vielen, vielen Jahren, deren Entwicklung nicht nur Eltern mit Interesse verfolgen werden, die sich der Gefahr durch Schadstoffe in Asphalt für ihre auf den Straßen spielenden Kinder besonders bewusst sind.
Und die Gründe für die Vorgehensweise der Verwaltung? Bleiben rätselhaft. Bestätigt hat sich allerdings – LEIDER – eine Befürchtung vom Beginn des „Bürgerdialogs“:
„Bürgerbeteiligung ist ein guter Ansatz, sofern der gemeindlich initiierte Bürgerdialog nicht am Ende einem Monolog Platz machen muss. Bürgerbeteiligung, so liest man in einer aktuellen Publikation zum Thema, laufe Gefahr, zu einer „Beteiligungsfassade“ zu verkommen.“
(Den vollständigen Beitrag finden sie hier.)
Die (letzte) Hoffnung liegt nun bei den Gemeindevertreter*innen, die am 17.09.2020 (um 18h im Bürgersaal des Rathauses) darüber entscheiden können, ob sie abschließend abstimmen oder aber das Angebot von Fachleuten nutzen wollen, sich AUCH über die Ausfertigung in Beton Expertise einzuholen.
Dies würde nicht nur dem avisierten „intensiven Prozess der Bürgerbeteiligung“ Rechnung tragen, sondern auch die Sommerfeldsiedlung vor einem baulichen, ökologischen, gesundheitlichen und politischen Desaster bewahren.
Waren die damals tatsächlich zu blöd, vernünftige Straßen zu bauen? Fakt ist: Auch Betonstraßen erfüllen ihren Zweck. Ich kenne die dortigen Straßen gut und sehe absolut keinen Handlungsbedarf. Eine Befestigung der Bürgersteige mag gerechtfertigt sein – aber mi Vernunft und Augenmaß.